Die BCL – Eine Liga in der Krise

von Oliver

Noch sechs Spiele bis zum Saisonende. Es geht sportlich um nichts mehr, schon wieder. Woher kommt das? Was können wir dagegen tun? Ein paar Gedanken.

Die «Brack.ch Challenge League» besteht in ihrer heutigen Form seit der Saison 2012/2013. Eine Ligareform seitens der SFL (Swiss Football League) begrenzte die Anzahl der Teams von vormals 16 auf aktuell 10 Teams. So weit so gut. Ein paar Jahre zuvor, nämlich zur Saison 2008/2009, war die Liga schon einmal um zwei Teams verkleinert worden. Damals lautete die Begründung der SFL: «Wir wollen die Liga attraktiver machen.» Also gehen wir davon aus, dass es beim Schritt, die Liga 2012/2013 um 6 Teams zu verkleinern, darum ging, die Liga richtig, richtig attraktiv zu machen.

Wozu das fuehrte…

Seit dieser Reform gab es bis zum heutigen Tag in genau einer Saison einen sportlichen Absteiger und zwar den FC Locarno in der Saison 2013/2014. Da Fussball ein Sport ist, macht es in meinen Augen keinen Sinn einen sportlichen Abstieg gross zu analysieren. Konzentrieren wir uns lieber auf die Zwangsabsteiger. Weswegen sind sie abgestiegen? Gibt es sich wiederholende Muster? Fangen wir doch in der Saison 2012/2013 an: Die AC Bellinzona, welche eine Saison zuvor in die Challenge League abgestiegen ist, hatte mit schweren finanziellen Problemen zu kämpfen. Sie hatte auf einem der Öffentlichkeit unbekannten Weg 8,5 Millionen Franken Schulden angehäuft. Diese finanziellen Schwierigkeiten zeigten sich durch die ganze Saison, als zum Beispiel Spieler aus ihren Mietwohnungen geworfen wurden, da der Verein weder für ihre Miete, noch für ihren Lohn aufkommen konnte. Aber das sind alles nur Symptome. Ende der Saison 2014/2015 stieg der damals zweitplatzierte Servette FC Genève am grünen Tisch ab. Auch hier waren Schulden das Problem. Diesmal allerdings NUR in der Höhe von 5 Millionen Franken. Servette war bereits in der vorigen Saison sportlich aus der Super League abgestiegen, was einmal mehr zeigt, dass dieses Team definitiv sportliche Qualität besitzt. In der Saison 2015/2016 stieg der FC Biel/Bienne ab. Grund dafür war die Nichteinhaltung des Lizenzreglements der SFL. Konkret hiess das, dass sie wegen finanzieller Schwierigkeiten den Spielern der ersten Mannschaft keine Löhne mehr auszahlen konnten. Deswegen wurden dem FC Biel/Bienne alle Punkte aus der Rückrunde abgezogen und er wurde im Verlauf der Rückrunde aus dem Spielbetrieb ausgeschlossen, was zwar zur Folge hatte, dass die Bieler am Ende der Saison auf dem sportlichen Abstiegsrang in der Tabelle zu finden waren, allerdings war ihr Weg dorthin nicht ansatzweise ein sportlicher. Brisant ist in diesem Fall, dass der FC Biel/Bienne von der Saison 2012/2013 bis und mit zur Saison 2014/2015 wegen Lizenzproblemen beim eigenen Stadion «Gurzelen» auf die Neuenburger Maladière ausweichen musste. Kaum hatte die Stadt Biel gemeinsam mit Privaten die lizenzkonforme Tissot Arena gebaut, stieg der FC Biel/Bienne aufgrund anderer Lizenzprobleme (Schulden in der Höhe von Fr. 800‘000.–) ab. Wie wir alle wissen, gab es diese Saison gleich Lizenzprobleme bei vier Vereinen, was in einer Liga mit insgesamt zehn Vereinen äusserst bedenklich ist. Konkret gab es Probleme beim FC Le Mont-sur-Lausanne, beim FC Chiasso, beim FC Will und wie wir alle wissen beim FC Wohlen. Zu ernsthaften Problemen führte dies aber nur bei Le Mont und Wil: Will kassierte drei Punkte Abzug für ihren Verstoss, konnte das Problem allerdings im Verlauf der Saison beheben und darf in der BCL bleiben, obwohl sie die Saison auf dem letzten Tabellenrang beendet haben. Der FC Le Mont-sur-Lausanne hingegen gab auf, da der kleine Verein aus der Westschweiz sich nicht mehr in der Lage fühlte die Lizenzbestimmungen der SFL Jahr für Jahr zu erfüllen. Was lernen wir aus diesen Geschichten? Was heisst es für eine Liga, wenn es in der fünften Saison ihres Bestehens, genau einmal einen sportlichen Absteiger gab?

Was koennen wir kurzfristig fuer eine attraktive Liga tun?

Dass die Liga auf 10 Teams beschränkt wurde, sollte dazu führen, dass die Liga sportlich relevanter wird. Ein erster Schritt wäre, sich einzugestehen, dass der Schweizer Fussball als solcher niemals einen so hohen Standard erreichen wird wie beispielsweise der deutsche oder der spanische Fussball. Die Schweiz ist und bleibt ein kleines Land mit einem ebenfalls dadurch beschränkten Fussballkosmos. Des Weiteren gilt es sich einzugestehen, dass der Schweizer Fussball kein Sport für «die Massen» ist. Die einzige wirkliche Fussballstadt der Schweiz ist Basel, was sich im gut gefüllten St.Jakob-Park bei jedem Heimspiel manifestiert. Nicht einmal der FC Zürich Schafft es sein Stadion regelmässig zu füllen. Die halbleeren Ränge links und rechts neben der Südkurve sind ein richtiges Armutszeugnis für den Stadtclub der grössten Schweizer Stadt. Dennoch sind die riesigen Stadien eine Bedingung überhaupt in den beiden oberen Ligen mitzumischen, was auf die ganze Schweiz angewandt keinen Sinn macht. Ich glaube auch, dass es viele Zuschauer*innen unattraktiv finden, gegen die gleichen neun Mannschaften jede Saison viermal zu spielen. Dies manifestiert sich beim FC Wohlen wohl am deutlichsten bei den immer schlechter besuchten Derbys. Wenn alle zwei Monate ein Derby stattfindet, ist es schlichtweg nichts Spezielles mehr und die Leute kommen nicht mehr zu den Spielen. Wie sieht es dann erst bei unattraktiven Gegnern aus? Durch eine Vergrösserung der Liga würden einerseits mehr Leute ins Stadion kommen und andererseits nähme die finanzielle Konkurrenz zwischen den einzelnen Teams markant ab, was viele Vereine davon abhalten würde, sich wegen irgendwelchen Transfers dumm und dämlich zu verschulden. Die SFL sollte auch überdenken was für Vorgaben für das erhalten einer Lizenz überhaupt sinnvoll sind, und welche nicht.

…und langfristig?

Das zugrunde liegende Problem wird sich so jedoch niemals lösen denn: Profifussball ist ein Geschäft wie jedes andere. In der Region sind gute Fussballspieler ein begrenztes Gut. Und je erfahrener/versierter ein Spieler ist, desto teurer kann er seine Arbeitskraft an einen Club verkaufen. Je mehr Geld ein Club hat, desto mehr gute Spieler kann er sich leisten. Wie viel Geld ein Klub hat, ist stark davon abhängig welche Sponsoren er von sich begeistern konnte, wie gut er sich sportlich zu früheren Zeiten etabliert hat, wie clever er in der Vergangenheit in Infrastruktur, Spieler etc. investiert hat, wie gut er in der Bevölkerung verankert ist, aber auch davon, wie viele Leute überhaupt in unmittelbarer Nähe des Clubs leben, und deswegen auch regelmässig Heimspiele besuchen können. Hat ein Club sich erstmal an der Spitze einer Tabelle etabliert, wird es immer schwerer ihn von dort wieder zu verdrängen. Schaut man sich z.B. den FC Bayern München an, wird man feststellen, dass er sich in den letzten vier Spielzeiten hintereinander den Meistertitel sichern konnte (was keine Kritik am FC Bayern sein soll, da er durchaus etwas für seinen Erfolg getan hat). In der Schweiz sieht das mit dem FC Basel sehr ähnlich aus, da dieser nunmehr seit der Saison 2009/2010 seinen Meistertitel verteidigt. Alle anderen Teams haben zwangsläufig das Ziel auch dorthin zu kommen, wo die gerade erwähnten Teams stehen und müssen deswegen waghalsige Investitionen tätigen, die sich entweder bezahlt machen oder zum kompletten Bankrott eines Clubs führen können. Ist Fussball ein fairer Sport? Auf jeden Fall. Ist Fussball in dieser Form fair? Auf keinen Fall. Aber es wäre ja auch vermessen in einer grundsätzlich unfairen Ökonomie irgendwo Fairness zu erwarten. Also auf in die nächste Saison voller Zwangsabstieg, Vereinsverschuldung, neuer Flutlichtanlagen für mässig interessante Live-Übertragungen und garantiert ohne jegliche sportliche Spannung!

Erschien im Teilzeitzine #2, August 2017