«Komm doch mal mit. Das ist ganz nett dort.» So fing wohl in etwa alles an. Auf diese Weise landete ich am Donnerstag den 24. September 2015 das erste Mal in der Niedermatten. Der FC Wohlen empfing an diesem Abend den FC Biel und neben mir waren noch weitere 724 Zuschauer*innen im Stadion.
Es ist schon rund 15 Jahr her, dass ich regelmässig Fussballschauen ging. Das war jedoch noch bei einem anderen Verein und auch sonst waren die Zeiten noch anders. Wahrscheinlich noch so, wie es sich heutzutage viele Ultras wünschten. Die Ultrabewegung gab es in der heutigen Form jedenfalls so noch nicht. Aber es war bei weitem nicht alles rosig. Es gab ja auch Gründe, warum ich irgendwann immer seltener ins Stadion ging. Aber das ist eine andere Geschichte.
So stand ich an diesem herbstlichen Donnerstagabend auf der Sportanlage. Der Begriff «Stadion» ist ja kaum angebracht. Es gibt zwar die Haupttribüne, mit etwas über 600 Plätzen, aber die anderen drei Seiten bestehen nur aus einer Betonstufe. Da sehen viele Sportplätze in irgendwelchen Dörfern besser aus. Aber was solls, denk ich mir. Ich will ja Fussball schauen und mir nicht in einer VIP-Loge die Fingernägel machen lassen, während auf einem TV die Wiederholung der letzten strittigen Szene läuft. Ich und meine Freunde gesellten uns in die Ecke hinterm Tor, wo auch die fünf oder sechs aktiven Fans des FC Wohlen – die GS14 – waren. Man plauderte ein wenig, sie schwenkten ihre Fahnen und sangen ihre Lieder und ich amüsierte mich köstlich. Über die Fans, das Spiel und vor allem das Drumherum. Dass es in der zweithöchsten Spielklasse noch so provinziell zu und her ging, hat mich doch ein wenig überrascht. Das Spiel lief an diesem Abend für die Wohlener. Am Schluss stand es dann 2:0 für das Heimteam und für mich stand fest, dass es bestimmt nicht der letzte Besuch in der Niedermatten war.
Das war der Anfang. In der Winterpause beschlossen wir, uns auch als Gruppe zu organisieren und gründeten die Teilzeitfans Wohlen. Mit dabei hatten wir auch ein Selbstverständnis, welches wir uns abseits vom Fussball über die Jahre angeeignet hatten. Es war für uns klar, dass es in der Kurve keinen Platz für Diskriminierungen egal welcher Art geben darf, dass auch versucht werden soll, die Hierarchien möglichst flach zu halten und wenn man etwas machen will, es auch einfach macht. Ab der Rückrunde 2015/16 waren wir dann als kleines Grüppchen ein fester Bestandteil der Wohlener Fanszene. Von aussen wurden wir wahrscheinlich von vielen Leuten als Ultras wahrgenommen – dies ist allerdings nicht so. Niemand von uns sieht sich als Ultra. Die Bezugspunkte sind zwar da, aber es unterscheidet uns doch so einiges von den gängigen Ultra-Gruppen. Es gibt halt doch wichtigeres als Fussball… Auch dazu, ein anderes Mal mehr.
Nun haben wir ein Jahr später. Zurück liegen viele Erfahrungen, viel Ausprobieren, viel Kennen- und Dazulernen, wie das Leben als aktiver Fussballfan im Jahr 2016 in der Challenge League so ist. Grundsätzlich ist mir die Liga ja ganz sympathisch. Alles ist noch überschaubar und nicht vollkommen anonym. Es ist noch nicht alles durchorganisiert und choreographiert. Es hat noch Platz für Fehler und Macken – Beim Fans, bei den Stadien oder auch bei den Vereinen.
Auch wenn wir selber noch nicht den Kontakt zum Vorstand und Verein haben, welcher wir uns wünschen, gab es doch auch immer wieder Momente, in denen wir so etwas wie Anerkennung zu spühren bekamen. So sind wir bei Auswärtsspielen meist nur ein oder zwei PWs, also maximal 10 Leute. Und wenn man dann in Chiasso ankommt und erfährt, dass der Präsident uns eine Handvoll Tickets schenkt oder an der Kasse in Wil vom Verein für uns Tickets hinterlegt wurden, dann ist das wohl keine Selbstverständlichkeit in der heutigen Zeit. Das mag jedoch kaum alles gutmachen, was zwischen Verein und Fans noch nicht so rund läuft. Aber auch, dass die Mannschaft praktisch nach jedem Spiel sich verabschieden kommt, ist eine Geste, die ich zu schätzen weiss. Denn obwohl wir nur eine kleine Gruppe von Supporter*innen sind, hoffe ich doch, dass sich die Spieler darüber freuen, dass es Menschen gibt, die sich dermassen für sie und ihren Verein engagieren.
Aber auch mit anderen Fans und Vereinen gab es gute Erfahrungen. Dass man in Baumes von Emmanuel fast so empfangen wird, als kenne man sich schon seit Jahren, mag noch das am wenigsten erstaunlichste sein. Schon etwas unerwarteter, aber trotzdem erfreulich war der Besuch der Fans von Lausanne-Sports. Diese kamen mit zwei Kleinbussen angereist und schon vor dem Spiel konnte man mit ihnen nett plaudern (vorausgesetzt das Schulfranzösisch lies einem nicht komplett im Stich). Auch wenn schnell klar wurde, dass der Unterschied von der Art und Weise des Fan-sein von Ihnen und uns kaum grösser sein könnte. Nichtsdestotrotz war es eine nette Begegnung, die zeigt, dass das ewige Getue von «Wir gegen die Anderen» zumindest ein Bisschen entkräftet werden kann – wenn man denn will. Dass beim spontanen Fussballkick, den es nach dem Spiel der Profis noch gab, sie uns klar dominierten, überraschte dann auch niemanden.
Es gab einige Situationen, welche ich im Vorhinein auch einfach nicht einschätzen konnte. Beim Heimspiel im März 2016 gegen den FC Schaffhausen wollten wir ein Zeichen gegen Homophobie setzen. Wir hatten den Banner von «Fans gemeinsam gegen Homophobie» ausgeliehen und vor dem Spiel wollten wir den eintreffenden Besucherinnen und Besuchern Flugblätter zum Thema Homophobie im Fussball verteilen. Wenn nur kleine Auswärtsfangruppen anreisen, kommen die durch den gleichen Haupteingang, wie die Heimfans und damit auch der Stelle, wo wir die Flyer verteilten. Da habe ich mir im Vorfeld schon meine Gedanken gemacht, was da so passieren kann, wenn man zu zweit vor dem Stadion steht und solche Flugblätter verteilt und die Gästefans auftauchen. Passiert ist dann gar nichts und zumindest wurde der Flyer von den Gästen auch zur Kenntnis genommen. Vor dem Rückspiel in der Breite hat der Verein im Vorbericht zum Spiel diese Flugblattaktion sogar erwähnt und sich darüber gefreut, dass es Fans gibt, die sich so klar gegen Diskriminierungen egal welcher Art positionieren. Oder auch dass im Stadion explizit die Fangruppen «GS14» und «Teilzeitfans» begrüsst wurden, ist ein gutes Zeichen.
Einiges habe ich aber bis jetzt noch nicht verstanden. Da wird man teilweise von Securitas-Leuten so gut kontrolliert, dass man meinen könnte, man sei ein*e Schwerverbrecher*in. Ich frage mich dann immer, was die sich dabei denken. Was sollen 8 Leute in einem Gästesektor anstellen wollen? Wilde Pyroshow mit anschliessendem Cateringstand-Sturm oder einen kollektiven Platzsturm inklusiver Entführung eines Balljungen? Aber zum Glück geht es auch häufig ganz unkompliziert. Auch das Verhalten von gewissen Fans kann ich einfach nur schwer nachvollziehen. Zum Beispiel diese drei, vier Jungs vom FCZ, welche beim Heimspiel während dem Spiel direkt hinter unserer selbstgebastelten Tribüne, aber ausserhalb vom Stadion uns provozierten. Als wäre es nicht schon klar, wer da Fantechnisch die Nr. 1 war… Was soll dieses pubertierende Verhalten? Schon fast amüsant fand ich dann ja die rund 30 Aarauer Fans, welche sich schon um 13 Uhr auf zum Derby in Wohlen machten, welches um 17.45 Uhr angepfiffen wurde. Wahrscheinlich haben sie den ganzen Nachmittag in Wohlen damit verbracht, sich die Sehenswürdigkeiten anzuschauen. Uns war das schlussendlich ja egal…
Die eigene Kurve, «Gate Süd», hat sich aber auch ziemlich entwickelt in diesem Jahr. Unter Anderem liegt das sicher auch daran, dass sich GS14 und wir, die Teilzeitfans uns ganz gut ergänzen. Es ist schon schön, wenn man sieht, dass die ersten eigenen Choreografien klappen und auch ganz gut aussehen. Es macht auch sicherlich ein bisschen Stolz, wenn Fans von anderen Vereinen merken, dass beim FCW plötzlich was geht. Und ich find es auch gut, dass wir immer wieder anecken – egal ob beim Verein oder den anderen Fanszenen. Ich glaub es tut allen gut, wenn wieder mal etwas Bewegung ins Spiel kommt. Also schauen wir mal, was die nächsten Jahre so bringen.
Erschien im Teilzeitzine #1, Januar 2017